Aus der Neuauflage 2018 unseres Reiseführers über die Toskana
Fast alles, was in der Toskana auf eine lange Tradition zurückblicken kann, fängt mit „Schon die Etrusker …“ an. Nicht anders beim Wein.Natürlich waren es die Etrusker, die in der Toskana die ersten Weinstöcke pflanzten. Wie diese frühzeitlichen Tropfen allerdings gemundet haben mögen, ist nirgends genau überliefert. Sicher scheint aber zu sein, dass die Altvor deren der Antike dem Rebensaft sehr zugetan waren. Warum sonst hätte sich ein ausgeprägter Kult um den Weingott Bacchus entwickeln können? Viel später dann waren es Mönche aus Vallombrosa, die auf den Hügeln um Gaiole Weinkulturen anlegten. Die Fratres pflegten den Ausbau ihrer Weine mit Hingabe und Können und brachten beachtliche Erzeugnisse hervor.
Chianti – Italiens legendäre Weinregion
Eine Provinz oder Region „Chianti“ gab es in der Toskana nie. Und die geografische Bezeichnung Chianti-Gebiet war auch sehr lange schwammig und keineswegs präzise definiert. Wie man liest, soll die Bezeichnung „Chianti“ in der zweiten Hälfte des 13. Jh. in Chroniken und Urkunden aufgetaucht sein. Man bezeichnete damit die oberen Lagen der Höhenzüge, die auf heutigen Karten als „Monti del Chianti“ eingetragen sind, das Gebiet zwischen Montevarchi und Radda in Chianti also.
Und im 16. Jh. hatte Wein aus dem Chianti-Gebiet schon eine so große Wertschätzung erreicht, dass er als begehrtes Handelsprodukt von den Kaufleuten bis nach England verkauft wurde. Chiantiwein war für die Stadtstaaten Florenz und Siena im Mittelalter ein bedeutendes Wirtschaftsgut. Verständlich, dass sich die rivalisie-renden Städte immer wieder um die Grenzziehung des Gebietes, das ihre Bauern bewirtschaften konnten, stritten. Jede Stadt wollte natürlich den größten Anteil des Gebietes für sich beanspruchen können.
Wie die Grenzen des Chinatigebietes festgelegt wurden
Aus dem 13. Jh. ist eine hübsche Geschichte um diesen Streit überliefert. Wieder einmal saßen die Stadträte zusammen, um über die Gemarkungsgrenzen zu verhandeln. Da wurde folgender Vorschlag gemacht. Beide Städte sollten beim ersten Hahnenschrei im Morgengrauen einen Reiter auf den Weg in die gegnerische Stadt schicken. Und dort, wo sich die Reiter begegnen würden, sollte fürderhin die Gemarkungsgrenze verlaufen. Nun müssen die Prioren aus Florenz wohl die größeren Schlitzohren gewesen sein. Denn sie kürzten ihrem Hahn schlichtweg die Körnerration für ein paar Tage mit dem Resultat, dass ihr Hahn am Morgen des Wettreitens wesentlich früher krähte und der Florentiner Reiter dadurch einen ganz schönen Vorsprung erhielt, der Florentiner Anteil am Chiantigebiet also größer wurde.
Aber erst im 19. Jh. erreichten die Weine aus dem Chianti und damit das Anbaugebiet und die Herkunftsbezeichnung „Chianti“ eine solche Popularität, dass man sich gezwungen sah, das Gebiet genau zu definieren und festzulegen, dass sich nur Rotwein aus dem toskanischen Hügelland zwischen Florenz und Siena als „Chianti“ bezeichnen durfte. Und schließlich setzten die Weinbauern aus Greve und Gaiole, aus Radda und Castellina durch, dass die feineren Chiantiweine geschützt wurden und zwar mit der Bezeichnung „Chianti classico“ (Edelausgabe „Chianti Classico Riserva“) und dem Symbol des schwarzen Hahns, des „gallo nero“. Andere Weinlagen wählten den „putto“ (Engelchen) als Markenzeichen.
Erst 1967 wurde das Anbaugebiet des Chianti zwischen Arnotal, Florenz und Arezzo in sieben offizielle Zonen unterteilt: Chianti Classico, Colli Fiorentini, Montalbano, Colli Senesi, Colli Arentini, Colline Pisane und Colline Pistoise.
Chianti Classico wird auf einem Gebiet erzeugt, das nicht mehr als annähernd 70.000 Hektar umfasst. Das wurde 1929 gesetzlich festgeschrieben. Aber auf dieser Fläche produzieren nicht weniger als 800 Betriebe Chianti Classico. Und fast alle von ihnen sind der Tradition der Lega del Chianti verbunden. Hochburgen der Chianti-Classico-Produktion sind die Gemeinden Castellina in Chianti, Gaiole in Chianti, Greve in Chianti und Radda in Chianti.
DOC – Denominazione di origine controllata
Um das Kerngebiet des Chiantiweins zwischen Florenz und Siena gruppieren sich noch viele andere Lagen des Chianti-Anbaugebiets, die ebenfalls überwiegend rote Weine hervorbringen. Von besonderer Qualität sind – neben dem Chianti Classico natürlich – u. a. der Chianti Putto, der nördlich von Florenz angebaut wird, der Chianti Grappalo, der Vino nobile di Montepulciano oder der Brunnello di Montalcino.
Später kamen noch Herkunftsgarantien und „garantierte“ Herkunftsgarantien hinzu, DOC (Denominazione di origine controllata) und DOCG (Denominazione di origine controllata e garantita). Diese Gütesiegel legen Anbaugebiet, Produktionsbedingungen und Ertragsmenge eines Weines fest. Nun kann man sich zwar darauf verlassen, dass der Wein in der entsprechenden Flasche auch aus dem angegebenen Anbaugebiet kommt, ob er aber auch schmeckt, ist damit noch lange nicht gesagt.
Cantine aperte
Traditionell wird im Chiantigebiet die Sangiovese-Traube angebaut. Seit einigen Jahrzehnten arbeiten einzelne Kellereien aber auch mit der Traubensorte Cabernet-Sauvignon.
Viele Kellereien, Schlösser und Weingüter in der Toskana stehen vom Frühjahr bis in die Zeit vor der Weinlese Besuchern offen. Besonders bemüht sind hier Winzer und Erzeuger, die sich dem Movimento del Turismo del Vino, der Vereinigung des Weintourismus, angeschlossen haben (www.movimentoturismovino.it).
Dem Verband, dem Weinbauern genauso angehören wie Weinhändler, Vinotheken und Gastronomen ist es ein Anliegen, Besuchern und Weinliebhabern die Produkte der Regionen auf angenehme Weise näher zu bringen. Die Gäste sollen die besten Weine verkosten können und bei dieser Gelegenheit auch noch das jeweilige Weinhaus, die Burg, das Schloss, die Kellerei kennenlernen. Einige der Weingüter bieten auch Übernachtungsmöglichkeiten und Restaurants mit feiner regionaler Küche oder ein Abendessen in Gesellschaft des Schlossherrn an. Achten Sie also darauf, wenn „Cantine aperte“ einladen.