Aus der Neuauflage 2018 unseres Reiseführers über Norwegen
Spätestens seit der Wikingerzeit waren die reichen Fischgründe in den Gewässern um die Lofoten Inseln bekannt. Selbst in den kältesten Wintermonaten, wenn in diesen Breiten im Landesinneren klirrender Frost herrscht, sinken die Temperaturen auf den Lofoten kaum einmal unter den Gefrierpunkt. Dank des Golfstroms bleiben die Häfen und Buchten eisfrei und gestatten zwischen Januar und April seit altersher den „Lofotfisket“, den bedeutendsten Saisonfischfang des Landes.
Lofotfiske
Aber bis weit ins vergangene Jahrhundert hinein kamen viele Fischer im Winter nur sporadisch in die fischreichen Gewässer. Sie zogen weiter, wenn im Frühjahr das Fischvorkommen wieder geringer wurde. In alten Tagen lebten die Fischer in ihren offenen Fangbooten, bzw. nächtigten unter den umgedrehten, kieloben liegenden Booten. Denn Siedlungen an Land gab es für die Fischer lange so gut wie nicht. Ein Chronist, der den Lofotfischfang wohl ausgangs des 17. Jh. miterlebt hat, schreibt: „Das Elend, das diese armen Leute um ihres Auskommens willen auf sich nehmen, ist unbeschreiblich“. Und bei aufkommenden Stürmen fanden an einem Tag oft hunderte Fischer ein nasses Grab.
Wohl hatte König Øystein 1103 eine Kirche und 1120 ein paar Rorbu-Hütten in Vågan (Insel Austvågøya) bauen lassen. Dies geschah aber weniger, um die Fischer zu einer Besiedelung der Lofoten zu animieren, als wohl eher, um zu demonstrieren, dass der König den Handel und das Steuerwesen hier kontrollierte und nicht die Lokalfürsten und Großgrundbesitzer, die diese profitablen Aufgaben liebend gerne in die eigenen Hände genommen hätten.
Rorbuer, ehemals Fischerhütten, heute urige Ferienhäuser
Erst im 17. Jh. waren die Fischer durch königliches Dekret und mit ausdrücklicher Unterstützung aus Oslo ermächtigt worden, an den felsigen Gestaden feste Hütten, sog. „Rorbuer“, zu errichten. Nun konnten das Fanggerät, die Netze, die Leinen, die Kleidung besser gepflegt werden als in den engen, offenen Ruderbooten damaliger Zeit. Und die Fangzeit konnte ausgedehnt werden. Die Erträge stiegen und es entstanden erste feste Siedlungen und Dörfer.
Das Wort „Rorbu“ setzt sich übrigens aus zwei Begriffen zusammen, aus „ro“ (rudern, zum Fischen hinausrudern) und aus „bu“ (wohnen).
Im 18. Jh. wurde das königliche Handelsmonopol gelockert. Nun erwarben reiche Kaufleute und Großgrundbesitzer Grund und Boden, um darauf Fischerdörfer zu gründen. Diese „Landzungenkönige“ hatten seit dem Lofotgesetz von 1816 auch das Aufsichts- und Eigentumsrecht am Meer. Erst mit einem neuen Gesetz Mitte des 19. Jh. waren Meer und Fischfang wieder frei, die Fischereiaufsicht eine öffentliche Angelegenheit. Heute hat der Lofotfischfang nicht mehr ganz die wirtschaftliche Bedeutung wie noch vor dem zweiten Weltkrieg.
Dorsch, eine Art des Kabeljaus
Seit Menschengedenken zieht in der Zeit um Januar ein unermesslicher Schwarm von laichbereiten Dorschen, einer Art des Kabeljaus, vom Norden des Eismeers herab an die norwegische Küste, um zu laichen. Der Lebensraum des Dorsches ist gewöhnlich die Barentssee, nördlich und östlich von Norwegen. Auf den Bänken dieser arktischen Gewässer wächst der Fisch heran. Die geschlechtsreifen Fische ziehen dann südwärts. Bei den Lofoten finden sie vor allem im Vestfjord optimale Verhältnisse, um abzulaichen. Für die Entwicklung des Kabeljaulaichs sind dort Temperatur und Salzgehalt des Wassers, ein reiches Planktonvorkommen und die Meeresströmung ideal.
Auch wenn der individuelle jährliche Lofotfischfang kleiner wird, weil der Kabeljau seit Jahren in industriellen Größenordnungen abgefischt wird, was immer deutlicher zur Dezimierung der Kabeljaubestände führt, wimmelt es auch heute noch an einem einladenden Wintertag vor der Küste von Tausenden von Fangbooten. Denn zum Lofotfang kommen die Bauern aus den Tälern mit kleinen Booten ebenso, wie die großen Fischkutter aus Trondheim, Tromsø oder Hammerfest, um Jagd auf Dorsch und Kabeljau zu machen.
In dieser Zeit, von Januar bis April, dienen die „Rorbuer“, die oft auf hohen Pfählen auf den Uferfelsen und immer in unmittelbarer Nähe des Wassers stehen, noch ihrem eigentlichen Zweck, nämlich der Unterbringung von Fischern und ihren Fanggeräten. Später, den Sommer über, wenn sich wieder Touristen in diese urtümlich gebliebene Landschaft trauen, werden die Holzhäuschen als Ferienhütten vermietet.